Ephraim Wegner – Das Ende des Anfangs
2004 – 2024
Für das Jahr 2024 sind mehrere Veröffentlichungen geplant. Unter der Prämisse, den nostalgischen Blick nach hinten zu wagen, wird der heutige Standpunkt zu dem jeweiligen Werk – in Form des Erinnerns – persönlich durch die Urheber und Interpreten reflektiert.
Die Idee entstand beim Durchstöbern alter Festplatten: Auffällig war, wie viele musikalische Arbeiten der vergangenen Jahre liegen geblieben sind. Die Gründe hierfür sind sicher mannigfaltig. So war man beispielsweise nicht zufrieden mit der Arbeit, die gewünschten Labels hatten ihren Katalog bereits geplant oder das Projekt zerrüttete sich, aufgrund der sich immer wieder verändernden Lebensrealitäten beteiligter Akteure.
Es geht darum, in den Zwischenräumen zu suchen und dem ein oder anderen Werk den Weg aus dem Archiv in die Öffentlichkeit zu ebnen. Und darüber hinaus die nach Vorne orientierten und auf Effizienz getakteten Produktionsbedingungen in Frage zu stellen.
2009 Way Back Machine: http://www.anti-matter-plant.org/
Release 06
Das hier veröffentlichte Stück dreht sich um die vom Plattenspieler gedrehte Schallplatte, um die Zeit, die sich um die Musik dreht, um die Musik, die an der Zeit dreht, und um die Katze, die sich drehen lässt. Oder dreht sich die Welt um die Katze?
Nach jahrelangem Plattenauflegen, endlosem Üben auf zwei Technics 1210 und einem 1200er Plattenspieler, unzähligen Stunden und Drehungen bei nächtlichen Veranstaltungen und dem naiven Versuch, in der Nachtkultur an unkonventionelle Hörformate heranzuführen, wurden die eigenen musikalischen Positionen zunehmend weniger zugänglich. Geräuschhafte Veröffentlichungen fanden in der damaligenen Überzeugungsarbeit immer mehr Beachtung. Jedoch endete das ganze Projekt mit der Auflösung des motiviert geführten Vorhabens. Die ursprünglich selbst gestellte Aufgabe schien verfehlt.
In weiteren Experimenten widmete ich mich radikaleren musikalischen Formaten. Bestuhlte Konzertorte wurden nun eher die Regel. Gleichzeitig weckten die Klangexperimente das Interesse von Freunden der Improvisation und der Neuen Musik, es fanden zunehmend Konzerte mit anderen Musikern und Ensembles statt.
Die hier präsentierte Aufnahme entstand 3 bis 5 Jahre später im Ensemble Alarm, unter der Leitung von Annette Rießner. Im Ensemble verfolgten wir die Idee, das Konzept der klassischen Konzertbühne zu erweitern. Hierzu zählten Konzerte auf dem Real-Supermarktparkplatz, die Zusammenarbeit mit einer Firma zur Entwicklung von Sensoren oder eine Party für den fiktiven Geburtstag einer weniger fiktiven Bekannten, die sich zu diesem Zeitpunkt mitten in einem ebensowenig fiktiven Philosophiestudium befand. Für letzteres brauchte es jemanden, der Schallplatten auflegte.
Nachdem ich mich nun einige Zeit mit Klangsynthese und dem Schreiben entsprechender Algorithmen beschäftigt hatte – die beiden 1210er waren längst verkauft – erklärte ich mich bereit, diese Position in der Performance zu übernehmen. Nach reiflicher Überlegung nutzte ich den übrig gebliebenen Plattenspieler und mein damaliges Wissen, um mit einem erweiterten Pure-Data-Programm (basierend auf dem Beispiel “B13.sampler.overlap.pd”) Granularsyntheseklänge zu erzeugen. Der an Plattenspieler und Mischpult angeschlossene Computer ersetzte den zweiten Plattenspieler, mit allen Möglichkeiten des Computerprogramms. So wurde das Rauschen des Mischpults oder das Knacken der Plattenrille zum eigenen musikalischen Beitrag und die Veröffentlichungen von Son of Clay, Avey Tare oder David Grubbs ergänzt und verfremdet.
In der abschließenden Aufführung befand sich das etwas derangierte Publikum zwischen einem fest installierten “Like” Button ohne wirkliche Funktion, dem DJ-Auftritt meinerseits und einem abschließenden Beitrag durch Pato Grande, der Metal-Band von Alexander Grebtschenko, Carlos Cotallo Solares und Lee Ferguson. “Likes” gab es trotzdem.
Nicht zuletzt fand die Katze, die eigentlich ein Kater war, während meiner Vorbereitungen den Weg auf den Plattenspieler und auch wieder hinunter – vielleicht eine Reminiszenz an die letzten beiden Stücke des Mixes, beide im Original veröffentlicht auf dem Label Fat Cat Records.