HmpF – Verirrung im örtlichen Safe Space oder Space Cake
2004 – 2024
Für das Jahr 2024 sind mehrere Veröffentlichungen geplant. Unter der Prämisse, den nostalgischen Blick nach hinten zu wagen, wird der heutige Standpunkt zu dem jeweiligen Werk – in Form des Erinnerns – persönlich durch die Urheber und Interpreten reflektiert.
Die Idee entstand beim Durchstöbern alter Festplatten: Auffällig war, wie viele musikalische Arbeiten der vergangenen Jahre liegen geblieben sind. Die Gründe hierfür sind sicher mannigfaltig. So war man beispielsweise nicht zufrieden mit der Arbeit, die gewünschten Labels hatten ihren Katalog bereits geplant oder das Projekt zerrüttete sich, aufgrund der sich immer wieder verändernden Lebensrealitäten beteiligter Akteure.
Es geht darum, in den Zwischenräumen zu suchen und dem ein oder anderen Werk den Weg aus dem Archiv in die Öffentlichkeit zu ebnen. Und darüber hinaus die nach Vorne orientierten und auf Effizienz getakteten Produktionsbedingungen in Frage zu stellen.
2004 Way Back Machine: http://www.anti-matter-plant.org/
Release 01
Dieses ist das vierte Werk, welches HmpF (Heimwerker mit perfekten Fehlern) mittels eines analogen Vierspurgerätes produziert hat. Der Titel lautet „Verirrung im örtlichen Safe Space oder Space Cake“. Es ist der Versuch, Fieldrecordings, instrumentale Klänge und Klangmanipulationen so zu verschmelzen, dass auch der ästhetisch nicht saubere Klang seine Möglichkeit hat, zu leben und sich zu entfalten. Entstanden ist dieses Stück zwischen 2002 und 2004. In einer Zeit, in der selbst der Noise und der Glitch fein aufpoliert päsentiert werden, um dem Gehör des Konsumenten zu schmeicheln (wie z.B. in dem Album Goodbye 20th Century von Sonic Youth), verliert die Kreativität der Subkultur immer mehr an Qualität.
Nicht unbedingt, weil sie sauber klingt. Viel eher, weil sie das Bedürfnis hat, sauber zu klingen. Somit gerät der Prozess des kreativen Schaffens immer mehr in den Hintergrund und die Präsentation in den Vordergrund. Wodurch die Ästhetik mit zum Tod der Kultur beiträgt. Die akustische Beseitigung jeglichen Kratzens, Rauschens und Knorzens außerhalb des Gewünschten lässt das Geräusch an sich zum bloßen Stilmittel verkommen. Es wird eine Reinheit gefordert, die durchaus auch Auswirkungen auf die nicht akustischen Bereiche unseres Lebens hat. Auszumerzen, was nicht passt und gewünscht ist. Dies ist eine präfaschistische Herangehensweise, in der für den Kapitalismus assimiliert wird, was als chic gilt. Gecleant bis zur Unkenntlichkeit, und somit jeglichen natürlichen Zustandes beraubt. Conny Plank wählte einst das Bild von einem Menschen, der den Geräuschen in einem Wald lauscht, Tierlauten und anderen Geräuschen. Da gibt es welche, die er nicht mag, und welche, die er mag. Und, die, die er mag, behält er und macht Musik daraus. Jede Art von Geräusch hat also das Potenzial, Musik zu werden, so lange es einem Menschen gefällt.
Wenn also jedes Geräusch das Potenzial hat, Musik zu werden, warum sollten uns dann nur jene Geräusche gefallen, die “schön” klingen? Hat nicht das Hässliche auch eine eigene Form von Schönheit, welcher wir uns selbst berauben, dadurch, dass wir sie nicht zulassen? In den Jahren, in denen ich bei Radio Dreyeckland eine Sendung für experimentelle Musik moderiert habe (1996-2003), kam es immer mehr zu einer Annäherung der E- und U-Musik.
Allerdings nur auf dem Gebiet der Komposition und der Interpretation. Und auch, wenn die klassische Avantgarde die neuen Ideen der Subkultur aufsaugte, wollte die Subkultur auch immer mehr wie die klassische Avantgarde klingen. Es öffnete sich ein Raum der inzestuösen Befruchtung. Wirklich draußen blieben nur die Outsider, die sich nicht kompositorisch, sondern vor allem in der Klangästhetik diesem Raum bewusst oder unbewusst verweigerten. Die von Dubuffet mal proklamierte Art Brut war zu einer in sich selbst gereinigten Institution geworden, aus der sich jeder bedienen konnte, um hip zu klingen. Es war vielmehr zu einer Kunst der Institutionen geworden, als dass es noch Ausdruck einer Lebenshaltung oder Äußerung des eigenen Lebens gewesen wäre. Die psychische Verschiebung als Unterhaltung bei Kaviar und Champagner (oder veganen Auberginenröllchen und Bionade).
Vorbei die Tage, als sie noch als das wahrgenommen wurden, was sie einst waren: Eine andere Sicht der Welt und der Menschheit, die ihre Berechtigung hat, geäußert zu werden, weil es raus muss. Und weil es da sein muss. Hier und jetzt. Denn es ist der Gegenpol zu der kapitalistischen Assimilation von allem, was passen soll und dafür passend gemacht wird. Und wer den Safe Space wünscht, wird ihn nie finden. Irgendwas gibt es immer, was noch nicht stimmt. Was noch nicht ist, wie man es haben will. Wer aber den Space Cake isst, sollte sich nicht wundern ,wenn er hört, sieht oder riecht, was da ist, er aber vorher nicht wahrgenommen hat, oder sogar etwas wahrnimmt, das gar nicht da ist.
Diese Komposition ist hierbei eine Hommage an die Tage, an denen das Suchen im Klang noch wichtiger war als das Finden, vor allem in der deutschen Tradition vom frühen Karlheinz Stockhausen und Gottfried Michael König über Faust, Cluster oder Conrad Schnitzler, bis hin zu der Tödlichen Doris oder Minus Delta T.
Veröffentlichungen von HmpF:
Phaidros innere Form- Natürlich/ Unnatürlich (90 min. Tape, Auflage 25 Stück, erschienen 1998)
Klangmetastasen (CD-R , Auflage 10 Stück, jéde in einem individuell gestalteten Cover, erschienen 1999)
Urbane Sublimation (CD-R, Auflage 25 Stück, erschienen 2001)